Vorstösse in neue Dimensionen – Fotografien von Susanne Neiss und Informelle Cutouts von Regina Reim
Der Kunstverein Neustadt a.d. Weinstraße ist bekannt durch seine Präsentationen ganz
außergewöhnlicher künstlerischer Positionen, u.a. durch Ausstellungsbeteiligungen von
Gerhard Richter und Georg Baselitz oder One-Man-Shows von Johannes Grützke
(1937-2017) über Yoshi Takahashi (1943-1998) bis Gunther Stilling (*1943). Jetzt also
reüssiert der 1955 gegründete Verein mit einem Ausflug in die informelle Malerei der
Pfälzer Künstlerin Regina Reim sowie in die Grenzbereiche analoger/digitaler
Fotografie von Susanne Neiß.
Von „inneren“ Bildern …
Susanne Neiß (*1971), Künstlerin aus der Metropolregion Rhein-Neckar und Dozentin an der
Freien Kunstakademie Mannheim (Lehrfach „Grundlagen der Wahrnehmung“) sowie
„Weldekunst“-Preisträgerin 1999, hat sich ganz dem Medium Fotografie verschrieben.
In ihren Fotos spiegeln sich (Irr)Lichter, dominieren Unschärfe und (Objekt)Verschiebungen,
die in ihrem abstrakten Zusammenspiel dem Betrachter faszinierende Einblicke in das so
freigelegte Innenleben ihrer Bilder eröffnen. Wobei sich – von der Künstlerin durchaus
gewollt – das Gesehene allenfalls nur erahnen lässt! Denn Vordergrund und Hintergrund der
verzerrten, von reflektierendem Licht überlagerten Gegenstände und räumlichen Motive
verschmelzen oft zu einem einzigen flächenhaft verteilten Konglomerat von meist nur
geringer Tiefenschärfe, was einen Wiedererkennungseffekt so gut wie unmöglich macht.
Die Freiheit der Bildinterpretation liegt letztlich beim Betrachter. Mehr analoge (!!!) und
neuerdings auch digitale Fotografie geht nicht! Und so heben sich ihre Fotokunstwerke – in
Zeiten zunehmender inhaltlicher Beliebigkeit und Verflachung (Smartphone-Knipserei!) –
wohltuend ab. Susanne Neiß arbeitet generell in thematischen Serien, bei denen sie auch –
einen neuen Ansatz verfolgend – „in verschiedenen Schritten die Fotos mit malerischen
Elementen kombiniert, die dann ganz bewusst weggehen von der reinen Fotografie“ (O-Ton
Susanne Neiß, 2017).
… und „schwebender“ Malerei
Regina Reim (*1965), in der südwestdeutschen Kunstszene längst etabliert, überrascht und
überzeugt gleichermaßen durch ausgefeilte „Cutout“-Techniken sowie ihren souveränen
gestischen Umgang mit Farben und Formen. Bereits 2015 hatte sie sogenannte „Papercuts“
aus Radierungen objekthaft in Szene gesetzt oder als „Etching-Cutouts“ in Objektkästen
montiert (Serie „Passacaglia“) und so das „Informel“ entscheidend in die Dritte Dimension
weiterentwickelt. Ihre neueste Werkreihe von 2019, bestehend aus direkt auf die Leinwand
collagierten, „gemalten Cutouts“, kommt ohne Objektkästen aus und wirkt dennoch auf den
Betrachter wie schwebende vegetative Gebilde vor altmeisterlich gemaltem Hintergrund. Und
straft damit all diejenigen Lügen, die das Informel für eine längst abgeschlossene Episode der
Kunstgeschichte halten.
In Ihrem Werk lotet Regina Reim immer wieder „die Verbindungen zwischen der Bildenden
Kunst, der Musik und dem Tanz aus. Es ist ein Forschen nach den Gemeinsamkeiten und das
Entdecken und Überschreiten der jeweiligen Grenzen“. Eine künstlerische Position, die auch
künftig noch für so manche Überraschung sorgen wird.
Fazit
Bei allem Unterschied der angewandten Medien und Techniken ist den beiden Künstlerinnen
eines gemein: Die Vorliebe für farbliche Schattierungen in all ihren Nuancen sowie das
Ausloten von Grenzbereichen, ob in der Malerei oder Fotografie. Eine außergewöhnlich
spannende Doppel-Präsentation von hoher künstlerischer Qualität mit ganz neuen
Sehgewohnheiten. Augenschmaus pur!
© Roland Heinzmann
Vernissage:
Freitag, 1.10.2021, 19 Uhr, Villa Böhm, Villenstraße 16b/ Maximilanstraße 25, 67433 Neustadt an der Weinstraße
Öffnungszeiten der Ausstellung:
Donnerstag und Freitag jeweils 15 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag, jeweils 13 bis 18 Uhr
Link: Kunstraum Metropal Ausgabe 4/21 – Artikel Vorstoesse in neue Dimensionen
Wir danken Roland Heinzmann herzlich für die Genehmigung zum Abdruck seines Artikels, der
im Magazin Kunstraum Metropol in der Ausgabe 4/21 erscheinen wird.